Nach dem kurzen Ausbruch aus dem Referendarsalltag durch den MNU Bundeskongress bin ich jetzt schon wieder mitten drin im Schulalltag und erlebe das, was man vermutlich auch als fertiger Lehrer immer wieder erlebt – eine anrollende bzw. eine einen fast überrollende Arbeitswelle. Vor den Osterferien stehen nämlich noch zwei Schulaufgaben an und dazu müssen noch einige Themen zu einem runden Abschluss gebracht bzw. neue Inhalte angefangen werden. Die Schulaufgaben kosten mich jedoch aktuell wirklich viel Zeit – und das nicht nur beim Korrigieren, sondern vor allem noch beim Konzipieren. Hier kann ich keine fertigen Schulaufgaben aus der Schublade ziehen und auch die Orientierung an anderen Schulaufgaben und Stehgreifaufgaben ist nicht so ganz einfach. Da dauert die Suche und das Adaptieren von Aufgaben eben ziemlich lange und trotzdem kann ich manchmal schwer einschätzen, wie passend und wie schwer die Aufgaben für meine Schüler sind und wie lange die Schüler zum Bearbeiten brauchen. Gut, dass der jeweilige Betreuungslehrer vorab nochmal drüberschaut und mit ein paar Anmerkungen unterstützt. Vorher kann man dann doch eher Dinge ändern und anpassen. Wenn die Schulaufgabe geschrieben ist, dann ist sie geschrieben.
Aber generell fällt mir beim Erstellen der Schulaufgaben gerade wieder auf, wie eingeschränkt solche schriftlichen Leistungsprüfungen doch sind.
Auch mit Blick auf meinen Vortrag bei der MNU und den Gesprächen dort, die deutlich machen, dass sich die Kompetenzziele in den letzten Jahren stark verschoben haben, muss ich einfach feststellen, dass man das nicht in 60 Minuten Schulaufgabe prüfen kann. Ich möchte sicher keine Lern-Bulimi fördern, versuche Schulaufgaben kompetenzorientiert zu stellen und verlange Argumentationen und Begründungen, aber so wirklich deckt das alles eine eigentliche Leistungsfähigkeit nicht ab – das gilt ganz besonders in Physik. Hier ist es sehr einfach viele Rechenaufgaben zu stellen und auch Pseudo-Begründungs- oder Argumentationsaufgaben (wo z.B. anhand einer Formel etwas abgeleitet werden muss) sind einfach zu bauen. Aber irgendwie bilden sie echte Problemlösefähgikeit kaum ab – ganz zu schweigen von dem Problemlösen wie es im Alltag und später im Berufsleben stattfindet bzw. möglicherweise stattfinden wird (denn wer weiß schon, wie die Welt in 10 Jahren aussieht). Wie also damit umgehen? Ich glaube insbesondere im Ref muss ich erstmal mit der Situation leben und mir und den Schülern bewusst machen, was die Note einer Schulaufgabe abbilden kann und was eher nicht. Aus Referendarssicht ist bei Noten nämlich erstmal wichtig, dass sie möglichst wasserdicht sind. Keiner möchte hier große Diskussionen mit Schülern und Eltern und in Folge auch dem Schulleiter führen müssen.
Schnell kommt dann der Ruf nach Vorträgen oder Referaten als Prüfungsform. Sicher, darin zeigen Schüler auch verschiedenste Kompetenzen, aber ob da wirklich eine fachliche Lesitung geprüft wird, wage ich doch in vielen Fällen zu bezweifeln. Von mehr oder weniger klassischen, „schriftlichen“ Prüfungsformen bleibt dann noch das prozessbegleitende Portfolio übrig. Puhh, ganz ehrlich: Als Schüler hätte ich darauf so gar keinen Bock gehabt. Ständig irgendwie ein bisschen was tun – nicht mein Ding. So hätte ich vermutlich kurz vor Abgabe irgendwas zusammengeschrieben, was ja so gar nicht der Idee entspricht. Und auch hier bleibt wieder unklar, was eigentlich geprüft wird. Warum also überhaupt schriftliche Prüfungsformen? Wäre es vielleicht nicht besser mehr wert auf mündliche oder experimentbezogene Prüfungsformen zu legen? 30 min Zeit um mit ganz viel Material ein Experiment aufzubauen, Messwerte aufzunehmen, auszuwerten und zu interpretieren – fände ich spontan irgendwie spannend, auch wenn es organisatorisch nicht ganz leicht zu machen ist und es aktuell eh nicht als Schulaufgabe oder so zählen könnte. Und klar, auch hier werden wieder ganz spezielle Kompetenzen abgeprüft, die nicht unbedingt ein vollständiges Bild liefern. Am Ende ist vermutlich ein Mix aller Formen notwendig, doch prinzipiell wird deutlich, dass mit dem Wandel der Lernens und Lehrens auch ein Wandel des Prüfens einhergehen muss. Bisher wurde das jedoch zumeist vernachlässigt.
Vielleicht sollte ich mal meine Schüler fragen, was sie als gute, gerechte, objektive Prüfungsform wahrnehmen würden – ich fürchte aus Gewohnheit werden einfache schriftliche Schulaufgaben dabei nicht wirklich schlecht abschneiden…
Aber jetzt genug geschrieben, ich muss zurück an den Schreibtisch, denn da warten einige Schulaufgaben und Stehgreifaufgaben auf ihre Korrektur.
1 Comment
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1. Mai 2019 at 19:30
Hast ganz Recht Stefan, leicht ist es nicht eine gute Arbeit zu erstellen.
Von dem habe ich das meiste Respekt.