Meine Fotosammlung erinnerte mich gestern daran, dass es jetzt ziemlich genau ein Jahr her ist, als mein Referendariat mit der Notenbekanntgabe zu Ende ging. Okay, offiziell ist es immer erst mit den Sommerferien vorbei, aber die letzten Wochen sind doch irgendwie entspannter und lockerer, da geht es den Referendaren so wie den Schüler*innen nach dem Notenschluss 🙂 Also irgendwie ein guter Zeitpunkt um losgelöst von jeglicher Kurzzeitvernebelung zurückzuschauen.

Der Einstieg ins Referendariat war für mich mit einer besonderen Ungewissheit verbunden: Ich kam nicht direkt aus dem Studium sondern habe fast 7 Jahre lang an der Uni in der Physikdidaktik gearbeitet, promoviert und angehende Lehrkräfte ausgebildet. Jetzt wieder selbst „in die Ausbildung“ zu gehen, war keine ganz leichte Entscheidung und verbunden mit Befürchtungen dort auf wenig Verständnis zu treffen. Neben den normalen Horrorgeschichten über das Referendariat hört man und ehemaligen Didaktik-Doktoranden, die dann ins Ref gegangen sind, auch einige besondere (traurige) Geschichten, in denen einem die Unizeit negativ ausgelegt wird, da das alles nur Elfenbeinturmwissen ist und man immer nur alles besser wissen, aber nichts besser machen kann. Die ersten Tage am Asam-Gymnasium waren gezeichnet vom Ankommen und Kennenlernen – sowohl untereinander als auch in Bezug auf die Seminarlehrer*innen. Das fiel mir erfreulicherweise leichter als erwartet, vermutlich auch, da unser Seminar von den Typen sehr gut gemischt war (auch wenn ich der einzige mit 1. Staatsexamen nicht in Bayern war). Auch von den Seminarlehrkräften kamen keine schrägen Bemerkungen zu meiner Unizeit, sondern eher interessierte Nachfragen, was ich denn genau gemacht hätte. Ein Umstellung war der Schritt ins Ref jedoch von der technischen Seite. Es gab kein WLAN, der Frust über langsamen Support der Stadt war einigen Kollegen anzumerken, aber auch die Fähigkeiten des Seminars waren weit gestreut (Inzwischen ist meine alte Seminarschule eine der ersten, die vollständig fest verbautes, stabiles WLAN hat). Das war etwas ernüchternd, aber auch das gehört zum Schulalltag dazu. Problematisch ist eher, dass an diesen Kompetenzen nicht systematisch gearbeitet wird, man ist von den Seminarlehrkäften abhängig. Nachdem man sich eingefunden hatte, konnte man dann doch einiges machen, zumindest gut mit Mebis und dem digitalen Whiteboard arbeiten – gerne auch in Kombination mit Powerpoint. Dieses digitale Arbeiten wurde von meinen Seminarlehrkräften auch durchaus positiv honoriert. Highlight außerhalb des Normalen: Wir hatten einen Tag Sprachtraining von einer Fachkraft, dass war gut. Ansonsten war das erste Halbjahr sehr intensiv und anstrengend aber auch lehrreich. Vor allem ging es schnell vorbei. Man hat neue Blickwinkel kennengelernt, reflektiert noch breiter über Alternativen zu den eigenen Stunden und lernt sehr viel im Umgang mit Klassen über die Zeit. Ich hatte dabei zu keiner Zeit das Gefühl, dass ich immer alles perfekt machen musste, sondern ich durfte immer auch Fehler machen, die dann gemeinsam analysiert und bei denen nach alternativen Handlungsmöglichkeiten gesucht wurde. Alles in sehr offener und freundlicher Kommunikation – hier kann ich mich nicht beschweren. Auch musste ich nicht unendlich viele bis ins kleinste Detail ausgearbeitete Stundenentwürfe abgeben, was gut für die ohnehin hohe Arbeitsbelastung ist. Am meisten habe ich gefühlt eh immer in den Stundenreflexionen im Seminar gelernt. Wichtigste Feststellungen aus dem 1. Halbjahr: Ich kann auch Schule, ich kann auch mit jüngeren Kids arbeiten und Prüfungen konzipieren ist aufwendig.
Am Ende natürlich die spannende Frage, an welchen Einsatzort man für das 1. Einsatzhalbjahr kommt: Bei mir zum Glück in gute Pendeldistanz ans OPG in Pullach. Es ist spannend zu sehen, wie unterschiedlich Schulen sind, wie sehr eine Schulleitung die Schule insgesamt beeinflusst, wie sehr die Sammlungsleitung eine Physiksammlung bestimmt und es war spannend zum ersten Mal wirklich Teil eines Kollegiums zu sein. An der Seminarschule ist man immer „das Seminar“, hier wechseln einfach ständig Leute, sodass man mit dem Stammkollegium wenig Kontakt hat. Das ändert sich extrem im Einsatzjahr. Hier konnte ich relativ frei unterrichten, hatte zwei sehr unterschiedliche Betreuungslehrkräfte, was es nicht immer ganz einfach gemacht hat, und schwankte digital zwischen den Welten – in einem Raum nur großes, interaktives Display, aber keine Tafel, im anderen Raum nur Overhead (inzwischen sind überall Displays). Dafür gab es iPads für alle Lehrkräfte – sehr lehrreich! was mich an dieser Phase des Referenadriats stört, ist dass man mit 17 Stunden (normal 23) eigentlich einfach einen 3/4 Lehrer ersetzt und keine wirkliche systematische Ausbildung stattfindet. Ja, man kann die Betreuungslehrkräfte immer um Rat fragen, sie schauen über Prüfungen drüber und sie kommen ca. 3x in Stunden und geben etwas Feedback, aber eine systematische Ausbildung ist das in meinen Augen kaum. Die wenigen Seminartage sind dabei auch nur wenig hilfreich. Ich kann die Idee des Einsatzjahres durchaus verstehen, aber in meinen Augen würde ein halbes Jahr hier auch reichen. Die Seminararbeit habe ich auch direkt am Ende des 1. Einsatzjahres gemacht – es gib um eine Unterrichtseinheit mit interaktiven Aufgaben zu Spektren. War in Ordnung, die Inhalte davon werden in meinem Fall weiter genutzt, aber leider verschwinden ganz viele andere Arbeiten einfach im Schrank – dass finde ich auch echt schade. Die Kultur der Offenheit und des Austausches könnte in den Seminaren noch stärker vorgelebt werden (war bei mir zunächst nur in Physik wirklich der Fall, aber das Seminar hat das dann auch in Mathe eingeführt). Das Gutachten am Ende empfand ich nur so semi-passend, aber die werden eh nicht auf die Goldwaage gelegt, da eigentlich völlig unklar ist, welche Maßstäbe Betreuungslehrkräfte und Schulleitung dort anlegen (wobei die Schulleitung selbst kaum Einblick in den Unterricht der Referendare hat – man wird 1x besucht, bei mir in einer Mathe-Intensivierungsstunde in einer Klasse, die ich nicht selbst unterrichtet habe). Positiv war auf jeden Fall, dass ich etwas Unterricht parallel hatte. Das reduziert zum einen die Arbeitsbelastung etwas und erlaubt zum anderen flexibles Adaptieren und Ausprobieren von Änderungen an Unterrichtskonzepten. Sollte in meinen Augen Pflicht sein im Ref.
2. Einsatzhalbjahr, wieder eine andere Schule bei mir: Michaeli-Gymnasium München. Wieder ein anderes Schulgefühl, dass vielleicht etwas besser zu mir gepasst hat, tolle Klassen, wieder etwas Unterricht parallel und ein super tolles Kollegium mit einer sehr guten Sammlung und guter Zusammenarbeit. Dort habe ich auch die Erfahrung des Unterrichtens in Physik anhand von Skripten gemacht. Es hat Vorteile, es hat aber auch Nachteile und am Ende kommt es vermutlich wieder auf die konkrete Ausgestaltung an. Wichtigste Erkenntnisse, die ich vom Michaeli mitnehme: Physik-Übungen können echt gut sein und je weiter man von Experimentieranleitungen entfernt ist, desto besser wird es. Leider sind Vortragskompetenzen auch in höheren Jahrgangsstufen oft Mangelware, genau wie ein sicherer Umgang mit Excel. Insgesamt waren das Kollegium, meine Betreuungslehrkräfte und ich eher auf einer Wellenlänge, was sich vermutlich auch im Gutachten widerspiegelte. Auch meine Lehrprobe hier lief gut und ich bekam im Vorfeld auch Feedback von den Stammlehrkräften. Besonders bleibt mit in Erinnerung, dass einem praktisch die ganze große Schulgemeinschaft die Daumen gedrückt hat am Lehrprobentag. Das tat gut und zeigt, wie eine Schulgemeinschaft sein soll. Ansonsten gilt auch hier: Man kann sich ausprobieren als Lehrkraft, an dem Ausbildungscharakter könnte man noch arbeiten.
Zurück an der Seminarschule ging es dann fast direkt los mit den Prüfungen in Pädagogik und Psycho. Das ist machbar, hat zumindest in Ansätzen einen Bezug zur eigentlichen Tätigkeit und die Fachbegriffe, die man braucht, kann man sich gut ins Kurzzeitgedächtnis hauen. Aber rückblickend sind einige Aspekte doch ganz hilfreich, wenn einem z.B. später im Lehrerleben mal konkrete Fälle begegnen. Danach hätte gefühlt nochmals eine relativ intensive Phase des Coachings von den Seminarlehrkräften (einer hatte getauscht) auf dem Plan gestanden, aber Corona hat den letzten Ausbildungsabschnitt etwas durcheinandergebracht. Aber auch so wurde hier der Ausbildungscharakter wieder sehr viel deutlicher. Insgesamt war es wieder ein komisches Gefühl zurück zu sein: schön, das coole Seminar wieder zu treffen, weniger cool der Prüfungsstress. Aber alles in allem ging es schon. Nach der letzten Lehrprobe im Format des Prüfungsgespräches dann die Abschlussprüfungen. Mathe, Physik und staatsbürgerliche Bildung+Schulrecht. Nach einem miesen Start in den Tag wurde es im Schnitt noch gut. Die Prüfungen selbst waren fair, man profitiert deutlich, wenn man Inhalte die Gegenstand der Prüfung sind, selbst schon unterrichtet hat und am Ende sind alle froh, wenn es geschafft ist. Am Abend gab es dann eine relativ entspannte Party und dann ging auch das Warten auf die Verteilung der Planstellen los – aber da kann ich als Physiker keinen richtigen Einblick geben, weil hier der Bedarf einfach groß und das Angebot begrenzt ist.
Nach einem Jahr jetzt im Alltag (soweit man davon unter Corona-Bedingungen reden kann) muss ich sagen, dass in meinem Fall das Ref keine schlechte Vorbereitung auf den Job war, gerade was das Planen von Unterricht und Prüfungen angeht. Bei mir hat auch jederzeit der Arbeitsaufwand gepasst, was schon zwischen einzelnen Seminarlehrkräften und noch stärker zwischen unterschiedlichen Seminaren geschwankt hat.

Rückblickend gibt es aber eine Reihe von Dingen, die verbessert werden könnte (wovon ich einiges davon schon früher mal notiert habe):

  • Die Unterschiede zwischen einzelnen Seminarlehrkräften sind zu groß. Das betrifft insbesondere die Arbeitsleitung, die sie von ihren Referendaren und Referendarinnen erwarten. Hier ist zwischen okay, ist vergleichbar mit dem normalen Job von 23 Unterrichtsstunden bis puhh, wenn man mehr als 6 Stunden Schlaf braucht, wird es schwer alles pünktlich abzugeben, alles dabei.
  • Das On- und Off-boarding von Lehrkräfte ist an Schulen kaum existent. Hier wird riesiges Potential verschenkt, sollte also dringend verbessert werden.
  • Im Umgang mit digitalen Unterrichtselementen sollte zumindest ein Basisminimum definiert werden, dass alle Refis am Ende beherrschen sollten. Aktuell schwankt es extrem zwischen einzelnen Seminarlehrkräften (wird auch nicht zu vermeiden sein, aber ein definiertes Minimum wäre sicher gut).
  • Das KM sollte sich direktes Feedback von den Referendaren holen und sich ernsthaft mit diesen Austauschen. Unsere Seminarleitung hat Feedback eingeholt und sich mit uns ausgetauscht, aber von den entscheidenden Ebenen kommt da nichts direktes. Das empfinde ich als Schade, gerade mit Blick auf den bevorstehenden bzw. aktuellen Lehrermangel…
  • Das Einsatzjahr könnte aus meiner Sicht kürzer sein und auch hier sollte man die Betreuung irgendwie mind. mit einer Stunde Anrechnung honorieren, sodass da wirklich eine Ausbildung stattfinden kann. Aus meiner Sicht kann ein Halbjahr auch sehr gut ins Studium verlagert werden, um auch hier den Praxisbezug zu stärken und für bessere Vernetzung zu sorgen.