Um es gleich vorweg zu sagen: Ich bin sauer und enttäuscht von dem Tarifabschluss für den öffentlichen Dienst, der in gleicher Art auch auf die Beamten unter anderem in Bayern übertragen wird. Warum? Das will ich mit den folgenden Zeilen deutlich machen.
Es gibt zwei Arten, wie man Leistung wertschätzen, einen Job attraktiv halten und die Motivation hoch halten kann. Entweder man zahlt entsprechend gut und sorgt dafür, dass sich gute Leistung und intensive Arbeit auch finanziell auszahlt oder man sorgt für gute, angenehme Arbeitsbedingungen, sodass den Angestellten die Arbeit leicht und mit guter Laune von der Hand geht, auch wenn es mal anstrengend ist. Und mit dem Tarifabschluss von einer Nullrunde für das Jahr 2022 und eine Lohnerhöhung von 2,8% ab Dezember 2022 sind definitiv beide Arten der Wertschätzung nicht erfüllt.
Fangen wir mit den Arbeitsbedingungen mal an: Viele engagierte Lehrkräfte haben im vergangenen Jahr einen über Nacht eingeführten Distanzunterricht überhaupt erst ermöglicht, in dem sie private Gerätschaften genutzt, teilweise auch neu angeschafft haben. Dazu mussten sie ständig neue Richtlinien und Vorgaben umsetzen, die Freitagnachmittag um 16 Uhr kamen, aber ab Montag umgesetzt werden sollten. Hätten wir Lehrkräfte hier wie in einem normalen 8-17 Uhr Job gearbeitet, dann hätte rein gar nichts funktioniert und es hätten noch viel mehr Schülerinnen und Schüler den Halt verloren und große Lernlücken angesammelt. Wenn jetzt jemand sagt, es ist doch besser geworden, ihr habt inzwischen Dienstgeräte, dem sage ich: er kann meines gerne geschenkt haben. Es ist so konfiguriert, dass ich noch nicht mal ohne weiteres MS Teams installieren kann, was das zentrale Unterrichts- und Videokonferenzwerkzeug aktuell an vielen bayerischen Schulen ist, es braucht durchaus mal 30 Minuten, bis es sich mit dem Nutzerprofildienst synchronisiert hat und startet auch zwischendurch einfach mal neu, weil es im Hintergrund ohne Nachricht Updates macht. Ach ja und lokal speichern kann ich auch nix. Ist also ein teurer Staubfänger oder Briefbeschwerer. Dazu kommt, dass wir Lehrkräfte was Gesundheitsschutz angeht ganz offensichtlich an letzter Stelle stehen. Von den großspurig angekündigten Luftfilter, die nach den Sommerferien in allen Klassenzimmern sein sollten, ist nichts zu sehen. Stattdessen dürfen wir Lehrkräfte 3x in der Woche die Corona-Test der Schülerinnen und Schüler beaufsichtigen. Was im Testzentrum nur einzeln und mit Abstand geht, geht im Klassenzimmer mit 30 Leuten gleichzeitig. Dazu ist ja jetzt wieder Winter, was beim obligatorischen regelmäßigen Lüften dazu führt, dass es ziemlich kalt wird im Klassenzimmer. Wenn man sich die gesetzlichen Bestimmungen für einen Arbeitsplatz durchliest, ist die Diskrepanz zwischen soll und ist schon fast lustig. Dazu muss aktuell die Soll-Prüfungszahl eingehalten werden, was bei ständiger Quarantäne von irgendwem in eine unzählige Anzahl an Nachschriften mündet, die ja auch alle entworfen und beaufsichtigt sein wollen. Ja, und vor Weihnachten ist der letzte Schultag der 23.12. Bedeutet für Lehrkräfte: Sie sind in einem Raum mit (in der Unterstufe) 25 ungeimpften Personen, unter denen aktuell ein Inzidenz von über 1000 herrscht. Da hat man ja ein richtig gutes Gefühl, wenn man an Weihnacht nach Hause möchte, um Familie und Großeltern zu treffen. *ironieoff* Ach ja, dieses ungute Gefühl besteht auch, wenn man mal wieder nach einer Corona-Meldung nach Hause zu seinem Kleinkind kommt. Kurz: Die Arbeitsbedingungen haben sich als Lehrkraft im letzten Jahr keinesfalls verbessert, sondern die Aufgaben und die Herausforderungen sind deutlich gestiegen und werden ganz sicher auch noch einige Zeit auf diesem Niveau bleiben.
Kommen wir zum finanziellen Ausgleich: Während die GEW versucht eine Lohnerhöhung um 2,8% zum 01.12.2022 als Erfolg zu verkaufen, kommt die Spiegel-Eilmeldung „Inflation überspring 5%-Marke“. Da wird schon deutlich, dass der Abschluss kein guter ist. Im Schnitt wird die Inflation 2021 wohl so 3,2% sein. Ja, es gibt den Sondereffekt der gesenkten Mehrwertsteuer Ende letzten Jahres, der macht aber nur ca. 1% aus. Bleiben bereinigt noch 2,2%.  2,2% Inflation, die praktisch nicht ausgeglichen werden. Wir machen also mehr Arbeit unter schwierigeren Rahmenbedingungen (siehe oben) für weniger Geld. Und wenn jemand mit der Einmalzahlung kommt: Wer nicht versteht, dass sowas immer ein Witz und eine Milchmädchenrechnung ist, besonders auf 30 weitere Berufsjahre gesehen (Stichwort: Zinseszins), von dem erwarte ich gar nicht, dass er versteht, was ein exponentielles Wachstum bei Corona bedeutet. Und ob die 2,8% Ende 2022 die Inflation für 2022 ausgleichen, steht auch noch in den Sternen, viele Banken schätzen eher 3% und mehr auch für 2022.
Ich halte fest: Der Tarifabschluss ist deutlich zu wenig und es gibt nicht den geringsten Grund für die Arbeitnehmerverbände diesen Abschluss auch nur ansatzweise zu feiern. Alles Gerede um den Wert und die Wertschätzung der Bildung sind aktuell nur leere Worte. Das Ergebnis wird sicher dazu führen, dass vermehrt Kolleginnen und Kollegen prüfen, wieviele Stunden sie den für ihren Job investieren und die Bereitschaft dies über die Maßen zu tun, wird abnehmen. Warum sollte man auch ständig seine Wochenenden opfern, wenn es doch nicht gewertschätzt wird? Der Lehrkräftemangel insbesondere in Informatik und Physik wird so ganz sicher auch nicht kleiner, denn auch die Schülerinnen und Schüler bekommen sehr deutlich mit, wie mit Lehrkräften umgegangen wird – und das sind ja die potentiellen zukünftigen Lehrkräfte.
Der Tarifabschluss ist also für die Bildung in vielerlei Hinsicht ein Nackenschlag und wird auf längere Sicht, wie der Umgang der Ministerien mit den Lehrkräften, zu verstärkten Problemen führen…