Besonders in Physik nutzt man ja häufig spezielles Experimentiermaterial, was im normalen Alltag nicht wirklich weit verbreitet ist. Im der Lehre wird es häufig noch spezieller, sodass es, um diesen Bedarf zu decken, spezielle Lehrmittelhersteller gibt. Die bieten alle möglichen Gerätschaften speziell ausgerichtet für Lernen und Lehren und für mich stellen einige dieser Hersteller (nicht alle!) gerade ein gutes Beispiel dar, wie weite Teile der deutschen Branche die digitale Transformation verpassen und damit ihren guten Rang verspielen. Beispiel das CASSY-Messwerterfassungssystem von Leybold.
Grundsätzlich gut und seit Jahrzehnten in vielen Schulen im Einsatz. Aber als ich versuchte mit einem der Sensoren mal kabellos zu messen, wusste ich schnell nicht mehr ob ich lachen oder weinen sollte. Es gibt für die Sensoren eine Bluetooth-Box. Der normale Mensch würde sich jetzt denken okay, Sensor an die Bluetooth-Box, koppeln mit Tablet (eine rudimentäre App mit dem Namen CASSY gibt es ja im Store) und los geht`s. Nein, die Bluetooth-Box kann nur mit einem PC und der zugehörigen Software gekoppelt werden. Wenn ich am iPad messen möchte, dann benötige ich ein weiteres Zwischengerät, dass dann ein WLAN aufmacht, mit dem ich mich dann mit dem iPad verbinde, um dann mit dem Tablet messen zu können. Hallo, wer denkt sich denn sowas aus? Der Bluetooth Adapter kostet übrigens nur schlappe 350 Euro ohne Akku. Und der Akku ist der eigentliche Hammer. Habt ihr schon mal einen billigen Akku für schlappe 216 Euro gekauft? Da nehm ich doch lieber die billige Powerbank mit größerer Kapazität und zu einem Zehntel des Preises. Oder noch besser, man sucht einfach Alternativen, die es im englischsprachigen Raum gibt. Da gibt es Sensoren mit eingebauten Bluetooth inkl. Batterie, die direkt mit iOS oder Android Geräten kommunizieren können und sogar noch günstiger sind.
Aber das ist nur ein kleiner Punkt. Während man bei Amazon häufig entscheidet, ob man ein Produkt noch heute oder erst morgen benötigt, so bekommt man die bestellten Produkte bei Lehrmittelherstellern häufig erst in 8 oder 12 WOCHEN (!!) nach der Bestellung. Hallo? Selbst eine einfache Postsendung aus China ist schneller da, dass muss doch im digitalen Zeitalter besser gehen, oder?
Apps sind auch ein gutes Stichwort – die CASSY App ist kaum brauchbar, Cornelsen zeigt mit Experilyser interessante Ideen und Ansätze, muss aber die Veröffentlichung immer weiter nach hinten verschieben und die sehr guten Smartphone Apps phyphox und Physics Toolbox laufen ihnen hier völlig den Rang ab. Da die beiden jetzt auch an der Kommunikation mit externen Sensoren arbeiten, sind das auch echte Konkurrenten, die den klassischen Anbietern große Stücke des Marktes wegnehmen.
Und darin neue, digitale Märkte zu erschließen, erscheinen mir die Lehrmittelhersteller auch nur bedingt kreativ. So müssten sie doch eigentlich gute digitale Lernangebote, Simulationen, Videos usw. produzieren können – sie haben alles Material und eigentlich auch viel Kompetenz im Haus. Der Bedarf ist garantiert da und ein Geschäftsmodell lässt sich sicher auch dafür finden.
Kurz zusammengefasst: Wenn einige traditionelle Lehrmittelhersteller nicht bald was tun, werden sie zu recht in der Bedeutungslosigkeit verschwinden und neue Anbieter den Markt übernehmen, die mehr in der digitalen Welt zu Hause sind.