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Probeunterricht zum Übertritt ans Gymnasium

Letze Woche fand der Probeunterricht zum Übertritt ans Gymnasium statt. Wer nicht weiß, was das ist, der kommt aller Wahrscheinlichkeit nach nicht aus Bayern und hat daher auch noch nie vom Grundschulabitur gehört. Und dieser Begriff ist kein Witz, sondern bitterer Ernst für die 10- oder 11-jährigen. Daher kurz zur Erklärung: Aufs Gymnasium können nur die, die im Übertrittszeugnis einer staatlich oder staatlich anerkannten Grundschule in Deutsch, Mathe und Heimat- und Sachkunde einen Notenschnitt von 2,33 oder besser haben. Alle anderen, also die mit schlechterem Schnitt oder die von einer „nur“ staatlich genehmigten Grundschule kommen, müssen am sog. Probeunterricht am Gymnasium teilnehmen. Wobei der Begriff „Unterricht“ hier eine völlig falsche Realität suggeriert. Eigentlich müssen die Kinder drei kurze Vormittage lang fast Prüfungen absolvieren.
Ich hatte dieses Jahr zum ersten Mal das Vergnügen an diesem Probeunterricht teilzunehmen bzw. ihn zu gestalten. Passt eigentlich ganz gut, weil ich inzwischen meinen Erfahrungsschatz im Umgang und der Arbeit mit der Unterstufe ausgebaut habe.

Der Ablauf

Dienstag ging es los mit der Begrüßung und einem langsamen Ankommen – schließlich sind alle ziemlich aufgeregt, alles ist neu und unbekannt und irgendwie wissen ja auch alle um die Bedeutung des Probeunterrichts bzw. messen ihm alle selbst eine stark überhöhte Bedeutung zu (das das Gymnasium nicht immer das non plus ultra ist und z.B. für NaWi-Interessierte die FOS13 vielleicht viel sinnvoller ist, führe ich ein anderes mal weiter aus). Nach jeweils 15 Minuten Einführungen müssen die Schülerinnen und Schüler dann verschiedene, zentral erstellte Tests in Deutsch (4 Stück) und in Mathe (2 Stück) bearbeiteten. Diese werden dann jeweils von zwei Lehrkräften nach einem eng vorgegebenen Muster bewertet und nach dem vorgegebenen Schlüssel bewertet. Die Ergebnisse in den Tests haben die doppelte Gewichtung zu der mündlichen Note, die Schülerinnen und Schüler im Rahmen der kurzen Unterrichtssequenzen, die am Freitag stattfanden, erreichen konnten. Hier hat man für Deutsch und Mathe je etwa eine Zeitstunde Raum, um im Rahmen eines kleinen Unterrichtsausschnittes mit viel Unterrichtsgespräch sind einen Eindruck über die Leistungsfähigkeit und die Auffassungsgabe der Schülerinnen und Schüler zu machen. Die Eindrücke von den je zwei verantwortlichen Lehrkräften führen dann zusammen zu einer mündlichen Note. Mit 3 und 4 hat man bestanden, mit 4 und 4 kann man per Elternwille ans Gymnasium und ansonsten ist man durchgefallen und kann in diesem Jahr nicht ans Gymnasium.

Die Aufgaben

Einen Überblick über die Matheaufgaben aus den letzten Jahren findet man auf den Seiten des ISB. Wer reinschaut wird feststellen, dass viele Aufgaben relativ textlastig sind. Das finde ich nicht toll, da ich ja für Mathe eigentlich nicht prüfen will, ob sie Infos aus Texten entnehmen können. Und gerade Schülerinnen und Schüler mit nicht Deutsch als Muttersprache (unter bestimmten Umständen gibt das nen Bonus beim Schnitt) und bei denen zu Hause nicht Deutsch gesprochen wird, haben hier einen echten Nachteil, was die Bildungssegregation weiter wachsen lässt.

Meine Kritik

Zunächst verstehe ich nicht, warum die schriftlichen Prüfungen an einer neuen Schule vor unbekannten Lehrkräften stattfinden müssen. Das könnte aus meiner Sicht genau so an den Grundschulen vor Ort stattfinden – dann wäre der Druck in der Situation vielleicht nicht ganz so groß für die Kinder. Gleichzeitig wäre dann vielleicht mehr Raum für eine längere Unterrichtssequenz, sodass der Begriff „Probeunterricht“ zumindest seinem Namen gerechter werden würde. Aber eigentlich mag ich das ganze Konzept nicht. Das hat aus meiner Sicht nichts mit pädagogisch verantwortungsvollem Handeln zu tun, sondern ist fast ein reines Prüfen der aktuellen, situativen Leistungsfähigkeit. Wie soll ich bitte nach 3 kurzen Tagen, wovon nur 2-3 Zeitstunden Unterrichtsgespräch sind, halbwegs valide abschätzen können, ob jemand fürs Gymnasium geeignet ist oder nicht? Ich tue mich da ehrlich selbst nach 9 Monaten intensivem Matheunterrichts in meiner eigenen Klasse schwer und bin mir immer bewusst, dass sich Leistungen, aus welchen Gründen auch immer, innerhalb von einem Schuljahr stark verändern können – sowohl nach oben als auch nach unten. Natürlich muss der Probeunterricht zwar keine Entscheidung für immer sein, aber ehrlich: Ich glaube die Grundschullehrkräfte, die die Kinder oft vier Jahre lang begleitet haben, können viel besser einschätzen, welche Schulform zum jetzigen Zeitpunkt die richtige für ein Kind ist. Auch finde ich den Druck, dem die Kinder hier ausgesetzt werden, wirklich übertrieben und ich möchte nicht mit ihnen tauschen müssen. Und abschließend: Natürlich hängt ein Erfolg beim Probeunterricht oft auch von dem Bildungsniveau der Eltern ab. Gerade da die Aufgaben der letzten Jahre bekannt sind, sind einige der Kids hiermit besonders trainiert (von den Büchern und Nachhilfeangeboten zu dem Thema ganz zu schweigen), andere eher weniger. Die Einschätzung, ob das Ergebnis dann noch valide was über die individuelle Eignung fürs Gymnasium aussagt, überlasse ich jedem selbst.
Kurz: Ich bin vom Probeunterricht in der jetzigen Form nicht überzeugt und hätte viel mehr Vertrauen in die Einschätzungen der Grundschullehrkräfte. Auch sollten wir den Eltern früher klar machen, dass es viel mehr als einen Weg zum Abitur gibt und den Blick auf das Wohl des Kindes lenken. Auch mal Erfolge zu haben und nicht ständig und überall schlechte Noten zu bekommen ist für viele Kinder oft motivierender und lernförderlicher als x Stunden Nachhilfe. Und Ideen, wie die Durchlässigkeit von Realschule zu Gym besser werden kann, bräuchte es auch. Die existiert nämlich im Laufe der Mittelstufe gefühlt quasi nicht.

Auf der Suche nach einem neuen Wirkungskreis – doch wo?

Eigentlich mag ich München sehr, besonders die Isar und den Westpark und mit meiner Schule, dem dortigen Kollegium und den Schülerinnen und Schülern am Wilhelmsgymnasium hätte ich es auch kaum besser treffen können. Und trotzdem werde ich leider einen Versetzungsantrag stellen. Warum beschreibe ich vielleicht ein anderes mal ausführlicher. Kurz: Das Leben in München ist, wenn man hier keinen Wohnraum geerbt hat, aus meiner Sicht zu teuer für eine Familie mit einem A13-Gehalt. Also entweder anderen, besser bezahlten Job suchen (was sicher kein Selbstläufer, bei meiner Qualifikation aber auch nicht ausgeschlossen ist) oder den Ort wechseln. Da ich es aber mag, Kids die Faszination von MINT näher zu bringen, werde ich versuchen, den Ort zu wechseln.
Damit verbunden ist natürlich die Frage, wo es hingehen soll. Eine echt schwere Frage, vor allem, da man von außen in andere Schulen praktisch gar nicht reinschauen kann und es in Bayern auch (außer Schulleitung und Seminarlehrkräfte) keinerlei schulscharfe Stellenausschreibungen gibt. Man kann also trotz Lehrermangel und in der Politik kursierenden Ideen wie einer „Buschzulage“ selbst als Lehrkraft, die schon im System ist, gar nicht abschätzen, wo denn ein Bedarf für die eigenen Fächer besteht und wo, also in welcher Region oder an welcher Schule, ein Versetzungsantrag erfolgreich sein könnte. Bei einer Erfolgsquote der Versetzungsanträge von nur etwa 50% (Quelle: HPR) wären hier mehr Informationen schon wünschenswert, um gerade auch in Zeiten von Lehrkräftemangel eine anderweitige Abwanderung zu verhindern. Auch hat man vorab keinerlei Infos über die Entwicklungsmöglichkeiten an einer Schule, was Funktionsstellen angeht.
Man könnte also fast Dart auf eine Bayern-Karte spielen. Aber irgendwie wird es in ganz Oberbayern preislich kaum besser, was das Verhältnis von A13 zu den Wohnkosten angeht. Einzig Berchtesgarden oder Bad Reichenhall wären hier aus besonderen Gründen denkbar, aber das Grenzgängerleben ist erstmal verdammt kompliziert und abschreckend. Da ich ursprünglich aus Hessen und auch eher vom Land als aus der Stadt komme, sind die Rhön und alles am Main, also eigentlich ganz Unterfranken auf den ersten Blick attraktiv.
Aber wo genau? Und in welcher Reihenfolge Schulen angeben? Ich bin ziemlich unschlüssig. Ich mag kleinere Schulen, könnte mich aber auch gut als Seminarlehrer vorstellen, was nur in Würzburg oder Schweinfurt evtl. irgendwann möglich wäre. Ich bringe spezielle MINT- und IT-Expertise mit, fühle mich aber auch gerade an einem rein humanistischen Gymnasium sehr wohl…
Vielleicht muss es doch der Zufallsgenerator richten und am Ende entscheidet ja in Bayern ohnehin das Ministerium nach Bedarf, ob und wenn ja wohin ich denn versetzt werden könnte. Es werden auf jeden Fall spannende Wochen bis zum Schuljahresende.

Dienstliche Beurteilung

Als verbeamtete Lehrkraft in Bayern wird man regelmäßig von seiner Schulleitung beurteilt. Regelmäßig bedeutet immer über einen Zeitraum von 4 Jahren hinweg. Der Zeitraum der Regelbeurteilung endete am 31.12.2022 mal wieder, sodass aktuell quasi alle verbeamteten Lehrkräfte in Bayern ihre Regelbeurteilung mitgeteilt bzw. eröffnet bekommen. Als jemand, der das gerade zum ersten Mal mitmacht, muss ich sagen: In der jetzigen Form ist das für mich eine unbefriedigende Form der Mitarbeiterführung und Zeitverschwendung (vor allem für die Schulleitungen). Warum? Das versuche ich in den folgenden Zeilen zu erläutern.

Sinn einer Beurteilung

Fangen wir mal mit der Frage nach dem Sinn an. Was soll eigentlich grundsätzlich der Sinn einer Beurteilung sein? Ich würde aus dem Bauch heraus antworten, die Beurteilung soll mich in die Lage versetzen, meine gezeigten Leistungen an einem Maßstab einzuordnen. Der Maßstab kann ein kriterialer sein, anhand dessen ich sehe, was gut ist, was passt und was ich besser machen kann. Er kann aber auch ein sozialer sein, der mir meine Leistung im Vergleich zu meinen Kolleginnen und Kollegen zeigt, oder ein individuller Maßstab, der meine persönliche Entwicklung bewertet und mir sagt, ob ich mich gut, gar nicht oder gar rückwärts entwickelt habe. Leider schafft die dienstliche Beurteilung in der aktuellen Form in meiner Wahrnehmung nichts hiervon.
Von der Idee soll es ja ein kriterialer Maßstab sein und das Ministerium versucht auch den Inhalt und den Maßstab der Bewertung festzulegen (siehe hier), doch das geht aus meiner Sicht ziemlich an der Realität vorbei. Wie bitte soll Unterrichtsplanung, Unterrichtsgestaltung und Unterrichtserfolg im Alltag valide, objektiv und reliabel bewertet werden? Das ist ausdrücklich keine Kritik an Schulleitungen, aber wie bitte soll das von einer Person für alle Fächer auf Basis von i.d.R. zwei zufälligen Unterrichtsbesuchen funktionieren? Das kann nicht gehen und das kann einfach niemand leisten. Natürlich haben Schulleitungen auch noch andere Informationsquellen, bekommen Feedback von Eltern und den Fachbetreuern, aber trotzdem! Ich kann bei vielen Physikstunden immer wieder kritisch reflektieren, ob die nun gut so waren oder ob es vielleicht anders besser gelaufen wären – eine klare Antwort darauf finde ich selten und ich habe in dieser Richtung promoviert. Auch müsste eine solche Bewertung an einem kriterialen Maßstab dazu führen, dass man konkret sagen könnte, hier an der Stelle hättest du es besser so machen sollen und wenn du in der Situation x das gemacht hättest, dann wäre deine Bewertung im Bereich y eine Stufe besser gewesen. Das schafft aber die Beurteilung akutell nicht (und sie erfolgt bei einer Beurteilungsperiode von 4 Jahren auch nicht zeitnah, wie es für gutes, wirksames Feedback notwendig wäre). Auch ist die Beurteilung sicher nicht objektiv – bei den ganzen weichen Kriterien und der subjektiven Beobachtung/Wahrnehmung durch unterschiedliche Schulleiter kann die Beurteilung sicher nicht objektiv sein.

Die komischen Beurteilungsstufen

Weiteres Problem sind die sieben Stufen, die (leider) wenig bis nichts mit den im Schulalltag allgegenwärtigen Notenstufen zu tun haben:

  • Leistung, die in allen Belangen von herausragender Qualität ist (HQ)
  • Leistung, die die Anforderungen besonders gut erfüllt (BG)
  • Leistung, die die Anforderungen übersteigt (UB)
  • Leistung, die den Anforderungen voll entspricht (VE)
  • Leistung, die den Anforderungen in hohem Maße gerecht wird (HM)
  • Leistung, die Mängel aufweist (MA)
  • Leistung, die insgesamt unzureichend ist (IU)

Schon bei dem mittleren VE erfüllt man alle Anforderung voll und trotzdem gibt es noch drei bessere Stufen? Was soll das? Das führt einfach nur dazu, dass in der Beurteilung kein negatives Wörtchen, kein bisschen Kritik oder keine Verbesserungspespektive stehen kann, weil dann würde man ja den Anforderungen gar nicht voll entsprechen. Wer auch immer sich das ausgedacht hat: Ich habe das Gefühl, dass die Angst vor auch nur der leisesten Kritik dafür gesorgt hat, dass hier die Beurteilung praktisch sinnlos wird und die Beurteilungstexte Lobhudelei werden. Warum nicht einfach 1-6?
Aus dieser komischen Konstruktion der Bewertungsskala folgt übrigens auch, dass die Beurteilung als intrapersoneller Vergleich nur wenig geeignet ist. Ich kann den ganzen Stufen zumindest nicht entnehmen, wie weit es z.B. von einem VE zu einem UB ist oder von einem UB zu einem BG. Auch die ganzen positiven Worte (nötig aufgrund der Konstruktion der Skala) helfen mir nicht, Entwicklungspotential und Ziele festzulegen. Dazu ist der Bewertungszeitraum von 4 Jahren hierfür wieder viel zu lange. In der freien Wirtschaft sind Feedback-Gespräche mind. in jährlichem Rhythmus üblich.

Fehlende soziale Einordnung

Und zu guter letzt noch das Problem, dass die Beurteilung leider auch nicht für eine soziale Einordnung der Leistung geeignet ist. Dazu müsste man nämlich wissen, wie die einzelnen Bewertungsstufen verteilt sind (oder zumindest verteilt sein sollen). Da ich aber weder weiß, wie die Verteilung schulweit noch bayernweit aussieht, kann ich mit meiner Bewertung hier rein gar nichts anfangen. Das einzige, was man so hört ist, dass die höchste Stufe HQ quasi gottgleich ist und eigentlich nicht vergeben wird (vielleicht mit Vitamin B oder in Bayern eher C) und die beiden unteren Stufen IU sowie MA auch sehr selten sind. Bleiben real nur noch vier Stufen, womit man auch über die Trennschäfte diskutieren kann. Zentraler ist aber die Frage, was eigentlich bitteschön dagegen spricht, die Verteilung der Stufen zu veröffentlichen. Gerne sowohl schulbezogen als auch bayernweit schulformbezogen und gerne auch getrennt nach Gehaltsstufen A13, A14, A15. Die Abiergebnisse werden ja schließlich auch bekannt gemacht. Das würde dann den ganzen Aufwand, der mit der Beurteilung für die Schulleitung verbunden ist, zumindest etwas rechtfertigen. Aber in der jetzigen Form ist das aus meiner Sicht einfach nur verschwendete Zeit und inhaltlich ziemlich sinnlos.

Vier abschließende Anmerkungen

  1. Ich bin mit meiner persönlichen Bewertung übrigens nicht unglücklich. Ich denke das passt schon, aber eigentlich kann ich aus all den genannten Gründen fast gar nichts sinnvolles damit anfangen. Und grundsätzlich ist es ja auch egal, denn welchen Einfluss hat die Regelbeurteilung schon? Man bekommt vielleicht irgendwie ein paar Monate früher die Regelbeförderung (ich habe da keine Ahnung von und auch keinen Zugang zum Beförderungsrechner, den der Phililogenverband anbietet), aber das wars auch schon. Für die Bewerbung auf externe Stellen wie Seminarlehrer erfolgt eh eine gesonderte Anlassbeurteilung.
  2. Natürlich stehen der Schulleitung noch weitere Instrumente der Personalführung zur Verfügung und auch in den entsprechenden Gesprächen wird – zumindest in meiner sehr begrenzten Erfahrung – einiges klarer und deutlicher als in der Beurteilung auf Papier, aber das macht den gesamten Prozess nicht sinnvoller oder nützlicher.
  3. Noch ein Aspekt, den man bei der Beurteilung (besonders bei Anlassbeurteilungen) kritisch sehen könnte: Was hat ein Schulleiter eigentlich für ein Interesse daran, seine guten Leute hier gut zu beurteilen? Dann haben die ja bessere Chancen auf den Job und sind mit höherer Wahrscheinlichkeit weg, was ein Verlust für die eigene Schule ist. Ich bin mir zwar sicher, dass die Schulleiter da trotzdem versuchen so neutral wie möglich zu beurteilen, aber eine tolle Sache ist das sicher trotzdem nicht (Und grundsätzlich muss man sich da nicht wundern, wenn die Gesellschaft den Eindruck gewinnt, dass wenig geeignete Leute einfach nur wegbefördert werden können).
  4. Immer mal wieder taucht ja (besonders von der FDP) die Forderung auf, Lehrkräfte nach Leistung zu bezahlen. Bitte, macht doch mal einen Vorschlag, wie die Leistung einer Lehrkräfte objektiv, reliabel und valide gemessen werden kann, was ja irgendwie die Grundlage für einen solchen Ansatz wäre. Auch wenn ich der Idee kritisch gegenüberstehe, bin ich gespannt auf die Ideen, weil diese vielleicht in einem ersten Schritt auch die dienstliche Beurteilung verbessern könnten. Oder man kommt zu dem Schluss, dass man sie in jetziger Form streicht und stattdessen auf regelmäßiges Feedback aus verschiedenen Quellen (Schulleitung, Kollegen, Lernende, Eltern) ersetzt.

Elternzeit und Schule – ein Brennglas auf den Personalmangel

Schreibtisch vor der Elternzeit

So, jetzt ist es soweit: ich habe meine Schreibtisch in der Schule aufgeräumt, jede Menge Klassenübergabegespräche geführt und die letzten Schulaufgaben soweit möglich an die Respizienz gegeben. Warum? Weil ich nun etwas mehr als zwei Monate in Elternzeit und damit raus aus der Schule bin. Mit Blick auf die schon wieder steigenden Fallzahlen, die damit verbundenen erhöhten Fehlzeiten von allen Beteiligten und die nervige Diskussion um Abschaffung der Maskenpflicht im Klassenraum gefühlt gerade ein guter Zeitpunkt. Aber darum soll es nicht gehen, sondern ich möchte vielmehr deutlich machen, dass die Mangelverwaltung im Bildungsbereich gerade hier bei der Elternzeit deutlich zu Tage tritt.
Zunächst mal kommt eine Elternzeit ja im Gegensatz zu einem krankheitsbedingten Ausfall nicht überraschend, sondern ist dem Kultuministerium und der Schulleitung schon mit einigem zeitlichen Vorlauf (mind. 7 Wochen, in der Regel eher deutlich mehr) bekannt. Idealerweise müsste dann einfach das Ministerium eine Lehrkraft aus der mobilen Reserve mit der passenden Fächerkombination für die Zeit an die Schule schicken, die die Klassen und den Unterricht komplett übernimmt (was gerade bei einer vollen Stelle ja eigentlich genau passt). Dies würde zur minimalst möglichen Belastung für die sonstige Schulgemeinschaft führen. Aber leider passiert das nicht. Warum nicht? Ich habe keine Ahnung, das fällt nicht in meinen Zuständigkeitsbereich und Einblick und Entscheidungshoheit hat hier am Ende wohl eh nur das Kultusministerium. Aber ich gehe mal stark davon aus, dass der Pool der mobilen Reserve für sowas einfach viel zu leer ist, gerade auch mit Blick auf Physik. Was passiert stattdesssen (weil externe Vertretungskräfte natürlich auch praktisch nicht zu bekommen sind in Physik): Es muss im eigenen Kollegium händeringend nach Möglichkeiten gesucht werden, die ausfallenden Lehrerstunden irgendwie zumindest zum großen Teil zu kompensieren. Es müssen also Kollegen zusätzlich zu ihren normalen Stunden und Klassen weitere Stunden und Klassen übernehmen. Gerade in einem kleinen Kollegium oder in einer kleinen Fachschaft ist das wirklich eine Herausforderung und sicher eine größere Belastung. Damit ist dann auch ein komplett neuer Stundenplan für alle von Nöten, damit das überhaupt irgendwie funktioniert. Man verursacht so also gefühlt die maximal mögliche Zusatzbelastung für das eigene Kollegium, was ja durch Corona und nun auch evtl. Willkommensklassen usw. eh schon am Limit oder weit darüber hinaus ist, sodass z.B. Schulentwicklungsaufgaben rein aus Belastungsgründen nur noch nebenher auf Sparflamme laufen können. Da hilft es auch kaum, wenn mal als derjenige, der in Elternzeit geht, alles so gut wie möglich vorbereitet und z.B. dafür sorgt, dass zumindest keine Schulaufgaben in dem Zeitraum geschrieben werden müssen usw. Irgendwie könnte man ja fast ein schlechtes Gewissen bekommen in diesem System überhaupt in Elternzeit zu gehen, auch wenn das hier natürlich völlig unangebracht ist.
Bei all dieser „Zusatzarbeit“, die durch meine Elternzeit für das Kollegium entsteht, kann ich aber erfreulicherweise sagen, dass mir es gefühlt an meiner Schule wirklich niemand übel nimmt, dass ich in Elternzeit gehe, sondern ich von vielen Seiten höre, dass ich die Zeit mit meinem Kind genießen soll. Dies ist aber vermutlich auch nicht in jedem Kollegium und an jeder Schule so, was dann noch eine zusätzliche Belastung für alle darstellen würde.
Kurz: Obwohl die Elternzeit von Lehrkräften ja grundsätzlich mit einigem Vorlauf von Seiten der übergeordneten Personalverwaltung gut einzuplanen wäre, passiert da aus meiner Sicht viel zu wenig. Dies mach deutlich, dass personalmäßig einfach schon heute und auch am Gymnasium eine Mangelverwaltung herrscht, was zu einer zusätzlichen Belastung aller anderen Lehrkräfte führt. Auch macht es deutlich, dass die Vereinbarkeit von Familie und Beruf in der Schule nicht immer ganz so leicht ist, wie es vielleicht auf den ersten Blick scheint.

Warum Projekte wie MUNDO für mich aktuell kein Fortschritt sind

Ich schiebe diese Zeile jetzt schon etwas vor mir her, aber mein erster wirklich eigener Kontakt mit dem Projekt veranlasst mich nun doch meine Gedanken niederzuschreiben, auch wenn ich mich nicht bis ins letzte Detail mit dem Projekt, der Plattform und den einzelnen Elementen beschäftigt habe. Hier fängt das Problem nämlich schon an: Was ist eigentlich das genau Ziel von Mundo und was ist der Vorteil für mich als Lehrkraft bzw. für mich als Anbieter von freiem Lernmaterial? Ich nehme irgendwie beide Rollen ein und in keiner der Rollen erschließt sich mir sofort der Sinn und Zweck. Das kann natürlich daran liegen, dass ich zu doof bin, ihn zu sehen. Vielleicht wird er aber auch nur mäßig gut kommuniziert – vielleicht sind Sinn und Zweck aber auch gar nicht so klar, außer mal ein paar positive Schlagzeilen zu erzeugen, dass die Bundesländer in der Schule mal ein Projekt gemeinsam angehen.

Blick aus der Lehrerperspektive

Was ich mir als Lehrkraft spontan für ein solches Portal vorstellen könnte ist,

  • dass sich dort nur OER Material findet, welches ich entsprechend weiternutzen kann – ist nicht der Fall, es finden sich Inhalte mit diversen Lizenz- und Rechtemodellen.
  • dass ich alles Material dort direkt in mein LMS einbetten kann – ist nicht der Fall, da der Ersteller sowas natürlich selbst festlegt
  • dass sich dort Inhalte ganz spezifisch zum jeweiligen Lehrplan finden – ist nicht der Fall (und natürlich auch nicht einfach zu realisieren)
  • dass eine langfristige Verfügbarkeit und Nutzbarkeit garantiert wird – hängt auch völlig vom Anbieter des Contents ab
  • dass die datenschutzrechtliche Nutzbarkeit der Materialien geprüft und gesichert wird – passiert auch nicht und ist sicher auch nicht ganz einfach leistbar.
  • dass neue, digitale Inhalte professionell erstellt und zur einfachen Nutzung freigegeben werden – leider auch nur ein Wunschtraum

Im Prinzip bleibt also gefühlt erstmal nur eine Alternative zu Google für Schulmaterial. Aber warum sollte ich das nutzen und nicht direkt die Google-Suche mit all ihren Möglichkeiten und ihrem noch größeren, internationalen Katalog? Außerdem wird Schule ja immer vorgeworfen, dass sie weit von der Lebenswelt der Schüler*innen entfernt ist. Dieser Trend wird gefühlt durch so eine Plattform noch gesteigert, denn ich gehe mal davon aus, dass kaum jemals eine Schülerin oder ein Schüler Mundo als Suche nutzen wird, wenn eine fachliche Frage für die Schule geklärt werden soll.
Kurz: Es werden viele Millionen in ein Projekt gesteckt, dessen – Achtung, ganz böses Wort – „Mehrwert“ – vielleicht sogar dessen Wert mir aus Lehrerperspektive nicht klar ist, während an anderen Stellen Geld für das nötigste fehlt. Weil das neulich auf Twitter so viral ging, nenne ich als Beispiel nur Kopiergeld.

Blick als kleiner Inhalts-Anbieter

Dann gibt es noch den Blick als kleiner (bzw. am Rande auch sehr großer) Contentanbieter auf das Projekt. Damit mein altes Herzensprojekt zu den virtuellen Experimenten online von anderen gefunden wird, muss ich nur bedingt etwas tun. Google erkennt schon von sich aus, was auf den Seiten ist und zeigt es bei der Suche mal mehr und mal weniger prominent an. Klar könnte ich jetzt Zeit oder Geld investieren und das ganze zu optimieren, aber da das ja ein freies Projekt ist, mit dem ich keinerlei Einnahmen erziele, verzichte ich hierauf. Und trotzdem wird es gefunden und genutzt. Inzwischen könnte ich es auch irgendwie bei MUNDO verschlagen – macht aber natürlich Arbeit, die ich dann als kleiner Anbieter nicht in Inhalte investieren kann. Bei großen Anbietern mit x Materialien läuft das über technische Schnittstellen. Die gefühlte Folge ist, dass große Contentanbieter aktuell deutlich überrepräsentiert sind. Hierbei besteht die Gefahr, dass das Angebot gut mithilfe von finanziellen Mitteln beeinflusst werden kann, wenn z.B. Bankenverbände Material zur Finanzbildung auf breiter Front bereitstellen, die Autoindustrie z.B. über Umweltschutzaspekte beim Verkehr informiert oder Energieunternehmen Material über Atomkraft liefern. Weiter scheint die FWU für SODIX und damit für MUNDO (durch Nutzer empfohlene) Inhalte manuell in den Katalog zu importieren. Auf diesem Wege werden vermutlich auch meine virtuellen Experimente irgendwann dort zu finden sein, aber der E-Mail-Verkehr dazu verstärkt meine Skepsis gegenüber dem Projekt. Die erste Mail war 85% Eigenwerbung und anschließend auch keine echte, klare Anfrage zur Einbindung oder so, sondern einfach nur unklares Gewäsch. Nach einer Antwort (Kernaussage: ich weiß eigentlich nicht, was ihr wollt und was ich euch antworten soll) dann etwas klarer, dass sie einzelne Abschnitte verlinken wollen und Screenshots machen. Allerdings mit mehreren Smilies in der Mail als würden wir uns kennen und wären beste Freunde, aber mit falschem Namen (nein, die Mail kam eher nicht von einem Praktikanten, zumindest trug der Name unter der Mail einen Dr.-Titel). Danach noch eine kurze Mail-Schleife, da ich die Bitte ein LMU-Logo zu liefern natürlich ablehnen musste. Ich vermute mal, jetzt werden da händisch von irgendwem irgendwelche Einträge in ihre Datenbank gemacht. Problem: Sobald ich einen Link ändere oder den Content auf eine andere Domain umziehe (wie z.B. im letzten Jahr weg vom Uni-Hosting), dann läuft das alles ins Leere und jemand mit Zugriff auf das System muss die Links manuell ändern oder die Einträge löschen. Das erscheint mir alles wie eine Link-Liste nur in modernem Marketing verpackt – da waren wir inhaltlich vor 20 Jahren mal und müssen leider inzwischen feststellen, dass viele alte Angebote nicht mehr funktionieren oder umgezogen sind. Wenn das ganze also auf Dauer funktionieren soll, dann wird es nur für große Contentanbieter funktionieren oder es wird ständig manuelle Bearbeitung brauchen, die viel Geld kostet, aber keine Inhalte schafft.
Gefühlt wird das alles sicher nicht dazu beitragen, dass Lehrkräfte plötzlich zu Content-Anbietern für MUNDO werden – vor allem weil natürlich Hosting usw. weiterhin Privatsache ist. Das mag vielleicht alles so gewollt sein, ist gerade im Bereich der Physik (und nur den kann ich ernsthaft einordnen) aber ein herber Verlust, da es hier doch eine ganze Reihe an kleinen, lehrergetriebenen Angeboten gibt, bei denen die Evaluation im eigenen Unterricht sehr deutlich wird.

Vielleicht ist mein Blick auf das Ganze aktuell auch zu negativ, ich habe mich einfach noch nicht genug mit Ideen, Konzepten und Möglichkeiten informiert (kann gut sein – ich habe nur wenige Artikel wie z.B. von Jöran dazu quergelesen) und die intensive Nutzung von tausenden Lehrkräften wird das Gegenteil zeigen. Das wäre auch völlig okay, aber im Moment sehe und fühle ich nur ein Angebot, welches am Bedarf vieler Lehrkräfte vorbeigeht.

Und damit das ganze hier auch noch konstruktiv wird, wiederhole ich meine Forderung, dass ein Teil des Budgets, was z.B. für Schulbücher ausgegeben wird, in die Entwicklung von OER-Inhalten (INHALTEN, nicht Plattformen) geht. Am liebsten in gemischte Teams aus Lehrkräften, Fachdidaktikern, Textern, Grafikern, Programmierern usw. Dann könnten da wirklich gute Inhalte herauskommen, die die Schule voranbringen, die Aufgabenkultur verändern und vernetzendes Lernen ermöglichen. Auch würde ein großer Pool an Material geschaffen, der Schüler*innen einfacher zu öffentlich sichtbaren Produzenten von Inhalten machen könnte, was aus meiner Sicht auch dringend nötig ist.