Als verbeamtete Lehrkraft in Bayern wird man regelmäßig von seiner Schulleitung beurteilt. Regelmäßig bedeutet immer über einen Zeitraum von 4 Jahren hinweg. Der Zeitraum der Regelbeurteilung endete am 31.12.2022 mal wieder, sodass aktuell quasi alle verbeamteten Lehrkräfte in Bayern ihre Regelbeurteilung mitgeteilt bzw. eröffnet bekommen. Als jemand, der das gerade zum ersten Mal mitmacht, muss ich sagen: In der jetzigen Form ist das für mich eine unbefriedigende Form der Mitarbeiterführung und Zeitverschwendung (vor allem für die Schulleitungen). Warum? Das versuche ich in den folgenden Zeilen zu erläutern.

Sinn einer Beurteilung

Fangen wir mal mit der Frage nach dem Sinn an. Was soll eigentlich grundsätzlich der Sinn einer Beurteilung sein? Ich würde aus dem Bauch heraus antworten, die Beurteilung soll mich in die Lage versetzen, meine gezeigten Leistungen an einem Maßstab einzuordnen. Der Maßstab kann ein kriterialer sein, anhand dessen ich sehe, was gut ist, was passt und was ich besser machen kann. Er kann aber auch ein sozialer sein, der mir meine Leistung im Vergleich zu meinen Kolleginnen und Kollegen zeigt, oder ein individuller Maßstab, der meine persönliche Entwicklung bewertet und mir sagt, ob ich mich gut, gar nicht oder gar rückwärts entwickelt habe. Leider schafft die dienstliche Beurteilung in der aktuellen Form in meiner Wahrnehmung nichts hiervon.
Von der Idee soll es ja ein kriterialer Maßstab sein und das Ministerium versucht auch den Inhalt und den Maßstab der Bewertung festzulegen (siehe hier), doch das geht aus meiner Sicht ziemlich an der Realität vorbei. Wie bitte soll Unterrichtsplanung, Unterrichtsgestaltung und Unterrichtserfolg im Alltag valide, objektiv und reliabel bewertet werden? Das ist ausdrücklich keine Kritik an Schulleitungen, aber wie bitte soll das von einer Person für alle Fächer auf Basis von i.d.R. zwei zufälligen Unterrichtsbesuchen funktionieren? Das kann nicht gehen und das kann einfach niemand leisten. Natürlich haben Schulleitungen auch noch andere Informationsquellen, bekommen Feedback von Eltern und den Fachbetreuern, aber trotzdem! Ich kann bei vielen Physikstunden immer wieder kritisch reflektieren, ob die nun gut so waren oder ob es vielleicht anders besser gelaufen wären – eine klare Antwort darauf finde ich selten und ich habe in dieser Richtung promoviert. Auch müsste eine solche Bewertung an einem kriterialen Maßstab dazu führen, dass man konkret sagen könnte, hier an der Stelle hättest du es besser so machen sollen und wenn du in der Situation x das gemacht hättest, dann wäre deine Bewertung im Bereich y eine Stufe besser gewesen. Das schafft aber die Beurteilung akutell nicht (und sie erfolgt bei einer Beurteilungsperiode von 4 Jahren auch nicht zeitnah, wie es für gutes, wirksames Feedback notwendig wäre). Auch ist die Beurteilung sicher nicht objektiv – bei den ganzen weichen Kriterien und der subjektiven Beobachtung/Wahrnehmung durch unterschiedliche Schulleiter kann die Beurteilung sicher nicht objektiv sein.

Die komischen Beurteilungsstufen

Weiteres Problem sind die sieben Stufen, die (leider) wenig bis nichts mit den im Schulalltag allgegenwärtigen Notenstufen zu tun haben:

  • Leistung, die in allen Belangen von herausragender Qualität ist (HQ)
  • Leistung, die die Anforderungen besonders gut erfüllt (BG)
  • Leistung, die die Anforderungen übersteigt (UB)
  • Leistung, die den Anforderungen voll entspricht (VE)
  • Leistung, die den Anforderungen in hohem Maße gerecht wird (HM)
  • Leistung, die Mängel aufweist (MA)
  • Leistung, die insgesamt unzureichend ist (IU)

Schon bei dem mittleren VE erfüllt man alle Anforderung voll und trotzdem gibt es noch drei bessere Stufen? Was soll das? Das führt einfach nur dazu, dass in der Beurteilung kein negatives Wörtchen, kein bisschen Kritik oder keine Verbesserungspespektive stehen kann, weil dann würde man ja den Anforderungen gar nicht voll entsprechen. Wer auch immer sich das ausgedacht hat: Ich habe das Gefühl, dass die Angst vor auch nur der leisesten Kritik dafür gesorgt hat, dass hier die Beurteilung praktisch sinnlos wird und die Beurteilungstexte Lobhudelei werden. Warum nicht einfach 1-6?
Aus dieser komischen Konstruktion der Bewertungsskala folgt übrigens auch, dass die Beurteilung als intrapersoneller Vergleich nur wenig geeignet ist. Ich kann den ganzen Stufen zumindest nicht entnehmen, wie weit es z.B. von einem VE zu einem UB ist oder von einem UB zu einem BG. Auch die ganzen positiven Worte (nötig aufgrund der Konstruktion der Skala) helfen mir nicht, Entwicklungspotential und Ziele festzulegen. Dazu ist der Bewertungszeitraum von 4 Jahren hierfür wieder viel zu lange. In der freien Wirtschaft sind Feedback-Gespräche mind. in jährlichem Rhythmus üblich.

Fehlende soziale Einordnung

Und zu guter letzt noch das Problem, dass die Beurteilung leider auch nicht für eine soziale Einordnung der Leistung geeignet ist. Dazu müsste man nämlich wissen, wie die einzelnen Bewertungsstufen verteilt sind (oder zumindest verteilt sein sollen). Da ich aber weder weiß, wie die Verteilung schulweit noch bayernweit aussieht, kann ich mit meiner Bewertung hier rein gar nichts anfangen. Das einzige, was man so hört ist, dass die höchste Stufe HQ quasi gottgleich ist und eigentlich nicht vergeben wird (vielleicht mit Vitamin B oder in Bayern eher C) und die beiden unteren Stufen IU sowie MA auch sehr selten sind. Bleiben real nur noch vier Stufen, womit man auch über die Trennschäfte diskutieren kann. Zentraler ist aber die Frage, was eigentlich bitteschön dagegen spricht, die Verteilung der Stufen zu veröffentlichen. Gerne sowohl schulbezogen als auch bayernweit schulformbezogen und gerne auch getrennt nach Gehaltsstufen A13, A14, A15. Die Abiergebnisse werden ja schließlich auch bekannt gemacht. Das würde dann den ganzen Aufwand, der mit der Beurteilung für die Schulleitung verbunden ist, zumindest etwas rechtfertigen. Aber in der jetzigen Form ist das aus meiner Sicht einfach nur verschwendete Zeit und inhaltlich ziemlich sinnlos.

Vier abschließende Anmerkungen

  1. Ich bin mit meiner persönlichen Bewertung übrigens nicht unglücklich. Ich denke das passt schon, aber eigentlich kann ich aus all den genannten Gründen fast gar nichts sinnvolles damit anfangen. Und grundsätzlich ist es ja auch egal, denn welchen Einfluss hat die Regelbeurteilung schon? Man bekommt vielleicht irgendwie ein paar Monate früher die Regelbeförderung (ich habe da keine Ahnung von und auch keinen Zugang zum Beförderungsrechner, den der Phililogenverband anbietet), aber das wars auch schon. Für die Bewerbung auf externe Stellen wie Seminarlehrer erfolgt eh eine gesonderte Anlassbeurteilung.
  2. Natürlich stehen der Schulleitung noch weitere Instrumente der Personalführung zur Verfügung und auch in den entsprechenden Gesprächen wird – zumindest in meiner sehr begrenzten Erfahrung – einiges klarer und deutlicher als in der Beurteilung auf Papier, aber das macht den gesamten Prozess nicht sinnvoller oder nützlicher.
  3. Noch ein Aspekt, den man bei der Beurteilung (besonders bei Anlassbeurteilungen) kritisch sehen könnte: Was hat ein Schulleiter eigentlich für ein Interesse daran, seine guten Leute hier gut zu beurteilen? Dann haben die ja bessere Chancen auf den Job und sind mit höherer Wahrscheinlichkeit weg, was ein Verlust für die eigene Schule ist. Ich bin mir zwar sicher, dass die Schulleiter da trotzdem versuchen so neutral wie möglich zu beurteilen, aber eine tolle Sache ist das sicher trotzdem nicht (Und grundsätzlich muss man sich da nicht wundern, wenn die Gesellschaft den Eindruck gewinnt, dass wenig geeignete Leute einfach nur wegbefördert werden können).
  4. Immer mal wieder taucht ja (besonders von der FDP) die Forderung auf, Lehrkräfte nach Leistung zu bezahlen. Bitte, macht doch mal einen Vorschlag, wie die Leistung einer Lehrkräfte objektiv, reliabel und valide gemessen werden kann, was ja irgendwie die Grundlage für einen solchen Ansatz wäre. Auch wenn ich der Idee kritisch gegenüberstehe, bin ich gespannt auf die Ideen, weil diese vielleicht in einem ersten Schritt auch die dienstliche Beurteilung verbessern könnten. Oder man kommt zu dem Schluss, dass man sie in jetziger Form streicht und stattdessen auf regelmäßiges Feedback aus verschiedenen Quellen (Schulleitung, Kollegen, Lernende, Eltern) ersetzt.