Kaum einem anderen Thema widmen sich mit solcher Regelmäßigkeit Umfragen diverser Auftraggeber und kaum ein anderes schulnahes Thema (mit Ausnahme vielleicht von vergleichenden Leistungstests) wird so häufig von den Medien aufgegriffen, wie der Einsatz von digitalen Medien im Unterricht und die schulische Ausstattung diesbezüglich. Das Problem dabei ist, dass alle möglichen Leute auf Basis der erhobenen Daten irgendwelche Forderungen aufstellen, Empfehlungen geben, was anders werden muss oder auf irgendwelche Versäumnisse in der Vergangenheit hinweisen. In der Regel schwingt dabei dann immer ganz viel eigene Einstellung und Vorstellung mit und viel weniger Objektivität, als nötig wäre. Dabei ist Objektivität gerade hier nötig, weil es wohl kein anderen Thema mehr „Experten“ gibt -schließlich kennt jeder die Schule und die Lehrer aus seiner Kindheit/Jugend und nicht wenige sind zusätzlich inzwischen Eltern von schulpflichtigen Kindern und gewinnen so weiteres „Wissen“ über Schule.
Weiter ist Objektivität nötig, um dem Verlangen nach einfachen Antworten entgegenzutreten. Auch wenn man solche Antworten für Schlagzeilen oder als schnelle Lösung gerne hätte, es gibt hier keine einfachen Antworten. Wenn ich ein interaktives Whiteboard in jeden Klassenraum Deutschlands hänge, wird der Unterricht nicht besser, effektiver oder innovativer. Wenn ich alle Schulen mit schnellem Internet ausstatte und jedem Schüler einen Laptop gebe, wird der Unterricht ebenfalls nicht unbedingt besser oder effektiver. Aber auch einfach alles so zu lassen, wie es ist, ist kein Weg zu gutem, effektivem Unterricht, der Schüler für das Leben im 21. Jahrhundert mit zentralen Kernkompetenzen ausstattet. In der Schule und im Unterricht kommen viele verschiedene Faktoren zusammen und dies muss auch zu einem differenzierten Bild in Bezug auf digitale Medien führen. Mal ermöglichen digitale Medien neue Möglichkeiten und haben großes Potential, mal sind sie nicht zielführend und behindern den Unterricht und das Lernen eher. Und hier kommt der zentrale Gestalter des Unterrichts zum Tragen: der Lehrer. An ihm ist es zu entscheiden, an welchen Stellen das Arbeiten am Computer, das Nutzen der Visualisierungsmöglichkeiten, der Zugang zum unendlichen Informationsmeer Internet sinnvoll, hilfreich und lernförderlich ist und an welchen Stellen der Computer aus, das Handy in der Tasche und der Taschenrechner im Schulranzen bleibt.
Natürlich ist dabei jeder Lehrer individuell und seinem eigenen Typ entsprechend, aber das ist völlig normal. Lehrer A unterrichtet lieber auf dem Weg A und kommt damit gut zum Ziel X, Lehrer B unterrichtet auf dem Weg B und kommt damit auch super zum Ziel X. Beide Lehrer auf einen festen Weg C zu schicken, um zu X zu gelangen, ist nicht die Lösung – da verlaufen sich beide nur oder haben keine Lust weiterzugehen. Von daher sollten wir lieber den Lehrer A so ausstatten, dass er gut seinen Weg gehen kann und Lehrer B so, dass er gut auf seinem Weg voran kommt. Individuelle Förderung und Unterstützung – nicht nur für Schüler, sondern gerade auch für Lehrer.
Machen wir es mal konkret: Ich hätte später bspw. anstatt einem neuen, interaktiven Whiteboard im Physiksaal viel lieber die alte Tafel und einen Beamer. Das gesparte Geld würde ich dann in einige einfache Android-Tablets oder ähnliches investieren. Warum? Bei Gedanken an das Whiteboard fallen mir spontan etwa drei Dinge ein, die ich damit gut, spannend und interessant machen könnte. Mit ein paar Smartphones oder Tablets wüsste ich sofort gefühlte hundert Dinge, die ich damit viel interaktiver und schülerzentrierter unterrichten könnte. Dem Kollegen mit Erdkunde als Fach wird es vielleicht gerade umgekehrt gehen.
Was also tun? Zunächst mal eine Grundausstattung schaffen, die dem 21. Jahrhundert angemessen ist. Das heißt einen schnellen Internetzugang in allen Schulen, ein entsprechendes W-Lan in allen Räumen und natürlich auch dienstliche E-Mail-Adressen für Lehrer. Ich kann inzwischen im Zug, im Bus und sogar auf dem Marienplatz kostenlos surfen, aber in der Schule, wo ich produktiv mit dem Internet arbeiten möchte, da geht es noch nicht immer – das kann einfach nicht sein. Und dann nicht von oben herab entscheiden und Ausstattungen diktieren, sondern lieber allen Schulen ein entsprechendes Budget zur Verfügung stellen, dass diese dann selbst, ihrem Bedarf, ihren Wünschen und ihren Lehrertypen entsprechend ausgeben dürfen.
Weiter müssen neue Lernangebote entwickelt werden, die das Potential der neuen Medien nutzen und einen Mehrwert gegenüber dem bisherigen Vorgehen bieten. Ich werfe nur mal das Stichwort „digitales Schulbuch“ in den Raum, ohne mich diesem Punkt ausführlicher zu widmen. Hier besteht jedenfalls noch sehr viel Nachholbedarf.
Aber auch die Lehrer dürfen sich nicht aus der Verantwortung stehlen und müssen ihren Unterricht immer wieder neu und kritisch bewerten. Dabei müssen Sie Möglichkeiten für den sinnvollen und gewinnbringenden Einsatz von digitalen Medien in Betracht ziehen und sich bei Bedarf natürlich auch entsprechend Fort- und Weiterbilden. Jeder Lehrer sollte einen Laptop an einen Beamer anschließen, Textverarbeitungsprogramme sicher bedienen und im Internet zielgerichtet recherchieren können. Und Fortbildung hierfür ist nicht unbedingt auf dienstliche Termine beschränkt, dafür kann man auch schon mal ein Wochenende, ein paar Abende oder einige Ferientage opfern. Man will doch seinen Schülern was bieten und nicht einen Unterricht machen, wie man ihn selbst viel zu oft erleben musste. Hier ist individuelles Engagement nötig.
Wenn alles das zusammenkommt, dann bin ich optimistisch, was die Schule im 21. Jahrhundert angeht. Und auch wenn das nicht alles von heute auf morgen zu schaffen ist, so bleibe ich weiter optimistisch, denn irgendwann werden wir merken, dass es gar nicht anders geht, als der Zukunft aufgeschlossen gegenüber zu stehen und ihre neuen Möglichkeiten zu nutzen, wenn sie einen Mehrwert bieten. Ich bin mir sicher, dass wir dabei Altbewährtes nicht nicht völlig über den Haufen werfen, sondern zielgerichtet ergänzen – trotz E-Book sind die Bücher schließlich auch noch nicht verschwunden und trotz mp3 und Musik-Streaming gibt es heute wieder mehr und mehr Fans von Vinyl-Platten.

P.S.: Warum gerade jetzt diese Zeilen? Weil aktuell für den naturwissenschaftlichen Bereich ein Buch erschienen ist, das sich diesem Thema annimmt und das auch einiges Material vorstellt, das versucht, das Potential der digitalen Medien zu nutzen und den Unterricht zu ergänzen. Auch ich habe darin einige Zeilen über meine Lernumgebung geschrieben. Das Buch heißt „Digitale Medien im naturwissenschaftlichen Unterricht“ ist erschienen im Joachim Herz Stiftung Verlag.
Cover Digitale Medien im naturwissenschaftlichen Unterricht