Nach dem heutigen letzten Schultag gehe ich aus mehreren Gründen etwas nachdenklich in die Pfingstferien. Zum einen war da ein Erlebnis heute morgen im Physikunterricht. Wir waren im Computerraum, sodass die Schüler mit einem virtuellen Spektrometer verschiedene Leuchtmittel erforschen konnten. In einer der Teilaufgaben musste hier von Nanojoule in Elektronenvolt umgerechnet werden, die Größen dazu waren entsprechend angegeben. Und sofort rief ein Teil der Schüler „Aber ich habe doch keinen Taschenrechner dabei“. Klar, mit etwas nachdenken und abwarten wären alle (einige haben es auch direkt gemacht) darauf gekommen, dass sie ja an einem Computer sitzen und der ein „großer“ Rechner ist und auch im Netz beliebig viele Taschenrechner zu finden sind, sodass ein eigener Taschenrechner gar nicht nötig ist. Aber dennoch hat es mir mal wieder vor Augen geführt, wie wir in der Schule alte Muster vermitteln, die im realen Leben quasi gar keine Rolle spielen – oder hat von euch schon mal jemand am Rechner gesessen und sich nach einem Taschenrechner gesehnt oder war einkaufen und hat sich seinen Schultaschenrechner gewünscht, um irgendwas auszurechen?
Im Zweifelsfall würde man doch da einfach sein Smartphone nehmen. Wieso ist die Reaktion im Unterricht so eine andere? Daran schließt sich natürlich direkt die Frage an, wie wir das als Lehrer geändert bekommen. Wie kann und muss eine digitale Grundbildung aussehen, sodass man hier natürlich einfach mit den einem zur Verfügung stehenden Mitteln das Problem löst? Wie bekommen wir solche eine kognitive Flexibilität und Handlungsflexibilität hin anstatt ein stures Muster komplizierte Rechnung = Taschenrechner zu vermitteln? Das Schlimme ist ja, dass die Situation mit dem Taschenrechner sicher nur ein einziges Beispiel ist. Im schulischen Kontext ist echtes, halbwegs offenes Problemlösen kaum vorgesehen, kann aber eigentlich nur durch ständiges Training und Üben „erlernt“ werden.
So, dann habe ich eine Schulaufgabe zu Ende korrigiert, die ganz gut ausgefallen ist, wo jedoch leider die Trennschärfe nicht optimal war. Kurz: Es gibt keine 5er oder 6er und auch nur wenige 1er. Doch anstatt das ich mich freue, dass meine Schüler sich gut auf die Schulaufgabe vorbereitet haben und die Schulaufgabe, die ich (mit wenig Erfahrung) als normal schwer konzipiert und eingeordnet habe, gut gelöst haben, überlege ich, was ich das nächste mal ändern muss, dass es auch 5er und 6er gibt. Auf der einen Seite kann ich meine Gedanken was die „Teststatistik“ angeht gut nachvollziehen, aber auf der anderen Seite finde ich die Gedanken auch beängstigend, da ich mich doch eigentlich vorrangig für meine Schüler freuen sollte, vor allem wenn sie (in einigen Teilaufgaben) zufriedenstellende Leistungen bringen. Ich glaube da muss ich aufpassen, dass ich nicht zu sehr dem Wunsch der Glockenkurve folge, die das gesamte Notenspektrum abdeckt. Mal ist es besser, mal schlechter – jede Klasse, jeder einzelne Schüler ist einzigartig, also warum muss alles immer normalverteilt sein? Das macht doch nicht so wirklich Sinn. Und von daher versuche ich mich jetzt erstmal für die Schüler zu freuen…
Und zu guter Letzt hängt mir immer noch ein Gedanke aus dem Laufe der Woche nach. Dabei ging es um ungenutztes Potential im Schulkontext, speziell darum, dass neue Lehrkräfte hier einfach da sind und hinter verschlossener Tür unterrichten, während in der Wirtschaft sich neue Leute erstmal vorstellen, integriert werden und auch von ihren eigenen Vorerfahrungen berichten. Das findet im Schulleben gefühlt gar nicht statt und dabei gehen so viele Gelegenheiten für einen produktiven Austausch und einen gegenseitigen Erfahrungsaustausch verloren – das ist einfach echt brutal schade. Auf der anderen Seite fühlen sich (gefühlt) viele Kollegen schlecht fortgebildet und wünschen sich hierfür mehr Zeit, Raum und Gelegenheit. Dass dies auch oft relativ einfach, mit erträglichem Zeitaufwand und vor Ort möglich wäre, wird irgendwie meist nicht wahrgenommen. Hier muss Schulentwicklung vielleicht auch mal einen Blick hin werfen und eine neue Austausch- und Willkommenskultur in Kollegien etablieren…
Doch jetzt erstmal genug mit nachdenklichen Zeilen und einen freien Abend genießen. Etwas Abwechslung und ein ganz normales Leben außerhalb der Schule muss auch im Referendariat immer drin sein!